Du musst unter Menschen gehen, dann wirst auch Du ein solcher.“

Diese Lebensweisheit formulierte Hermann Rademann in seiner Stammtischrunde
„Peiner Urgestein“. Noch vor einer Woche handelte er danach und folgte
einer Einladung der Stadt zum Neujahrsempfang. Er war putzmunter an
diesem Abend, seine Augen blitzten, er sprach mit vielen Menschen, er war so
kregel wie immer. Wenige Tage später erlitt er einen gesundheitlichen Einschlag,
von dem er sich nicht mehr erholte. Hermann Rademann ist gestern in
den Morgenstunden gestorben. Am 16. Dezember hatte er seinen 84. Geburtstag
gefeiert. Sein Tod ist für Peine ein Verlust. Im Amt des Bürgerschaffers hatte er von
1969 bis 1992 ein Kapitel Peiner Freischießen geschrieben; als schnörkelloser
Klarsager, als Hüter der Tradition, als ein Mann, dessen spitze Zunge Kultstatus
erreichte, als rhetorischer Meisterschütze, der kein Blatt vor den Mund
nahm, und als verständnisvoller Freund. Seine Freunde waren ihm wichtig, und
so konstatierte er 2002 (wiederum am Stammtisch): „Ich erfreue mich meines
Lebens und daran, viele Freunde zu haben.“ Diese vielen Freunde empfanden jede
Unterhaltung mit ihm als Geschenk. Sie bewunderten seinen Mutterwitz, seine
Formulierungslust, seine Gabe, den kleinen Kreis wie das große Publikum
zu unterhalten. Rademann, Spross einer alten „katzhägener“ Familie vom Rosenhagen, die
er bis 1761 zurückverfolgt hatte, wurde mit 17 Jahren Soldat, mit 18 stand er in
Russland, geriet 1944 in Gefangenschaft, aus der er erst 1947 entlassen
wurde. Dann stieg er voll ein in das Leben seiner geliebten Heimatstadt.
1948 trat er in das Corps der Bürgersöhne ein, wurde rasch erster Deputierter
und Hauptmann (womit er in die Fußstapfen seines Vaters und Großvaters
trat), ging 1967 als „Gelernter“ zur Schützengilde, war von 1969 bis 1992
Bürgerschaffer und wurde zum Abschluss zum Ehrenschaffer ernannt. Die
Stadt zeichnete ihn 1973 mit dem Wappenteller und 1993 mit dem Ehrenring aus.

                          


Als er Ende 1978 als leitender Angestellter der Stadtwerke in Pension ging,
freute er sich auf ein geruhsames Rentnerdasein. Doch dann erkrankte seine
Frau schwer; er übernahm deren Pflege und das Amt des Hausmanns. Seine Lebensplanung
hatte anders ausgesehen, aber sein Anstand ließ ihm keine Wahl.
Nun hat er seine Frau, zwei Töchter und deren Familien zurücklassen müssen,
darunter den in Peine lebenden Enkel Christoph Goslar, Adjutant im Corps
der Bürgersöhne. Es hat den Großvater gefreut, dass dort die Familientradition
weitergeführt wird. Krieg und Gefangenschaft nahmen ihm Jahre der Jugend, doch blieb er zeitlebens
jung mit Jüngeren. Vielleicht hat er erfahren, was der Dalai Lama so formulierte:
„Lebe ein gutes, ein ehrbares Leben – wenn du älter wirst und zurückdenkst,
wirst du es ein zweites Mal genießen.“ Wer Maßstäbe setzte, wer viele
Freundschaften pflegte, wer so – wie es beim Freischießen heißt – „akkerat“
war, der hinterlässt zwar eine Lücke, doch er hat dafür gesorgt, dass an dieser
Stelle Respekt und Dankbarkeit Platz finden – und Liebe auch.

 

                 

                  

 

Abschied von einem großen Peiner

Orange-gelbe Rosen schmückten den Sarg von Hermann Rademann. Links und rechts standen je drei Schützen

aus dem Corps der Bürgersöhne und von der Schützengilde Ehrenwache.
In beiden Korporationen war der Ehrenbürgerschaffer und Ehrenringträger der Stadt Peine Mitglied gewesen.

                                                                               

 

Das letzte Geleit: Etwa 400 Trauergäste sind am Sonnabend zum Trauergottesdienst in die Friedenskirche gekommen,

um einem prominenten Peiner die letzte Ehre zu erweisen. Hermann Rademann war am Montagmorgen im Alter von 84 Jahren

einem Herzinfarkt erlegen. Seine schwerkranke Frau, Kinder und Enkel hörten die Predigt von Pastor Bernd Kuschmann nach der Lesung aus dem Psalm 31.
Durch seinen persönlichen Einsatz habe sich der Verstorbene viele Verdienste in der Stadt Peine erworben,

sagte Kuschmann und ergänzte: „Wir sagen Danke für sein Leben!“ Rademann habe oft den Himmel auf Erden gehabt,

aber er habe auch die Kehrseite gesehen, schließlich sei er mit 17 Jahren Soldat geworden und lange in Gefangenschaft gewesen.

Doch schon 1948 sei er in die Fußstapfen des Vaters und Großvaters getreten, indem er ins Corps der Bürgersöhne eingetreten sei.

Kuschmann erinnerte auch an die nimmermüden Einsatz des Bürgerschaffers für „sein“ Heimatfest, das Freischießen.
„Er war aus einem besonderen Holz geschnitzt“ zitierte der Pastor die Familie des Verstorbenen.

Und mit dem Baum als Symbol des Lebens aus dem Buch des Propheten Jeremia, 17. Kapitel,

verglich Kuschmann den ehemaligen führenden Mitarbeiter der Peiner Stadtwerke.

Er habe die Stärke und Kraft wie der Stamm eines Baumes gehabt, seine tiefe Verwurzelung als Katzhäger Familie,

aber auch seine knorrige und unbeugsame Art. Regimenter zu übernehmen, sei schon immer seine Stärke gewesen,

schloss der Pastor mit Blick auf die letzten Lebensjahre, die durch die Pflege der eigenen Frau und die Übernahme

des heimischen Haushaltes geprägt gewesen seien. Bürgermeister Michael Kessler (SPD) sprach von einer schmerzlichen Lücke,

die Rademann hinterlassen habe, aber auch von den vielen guten Erinnerungen: „Trotz aller Trauer sollte die Dankbarkeit überwiegen.

“ Schließlich habe er 84 erfüllte Jahre gelebt und das bis zum letzten Tage bei guter geistiger und körperlicher Gesundheit.
Kessler kennzeichnete den Verstorbenen als einen glänzenden Kämpfer im Wortgefecht, dessen Waffe immer das Florett

und niemals der Degen gewesen sei. Kessler zitierte den früheren Bürgermeister von Peine, Ulrich Biel.

Der habe gesagt, dass Hermann Rademann den typischen Peiner Begriff akkerat geradezu personifiziert habe.

Wörtlich habe Biel gesagt: „Wir werden noch lange seine Schlagfertigkeit rühmen.“
Als Bürgerschaffer sagte Wilfried Grobe von der Kanzel der Friedenskirche, dass Rademann auch Dank seines

brillanten Erinnerungsvermögens ein begehrter Redner gewesen sei, der vier Bürgermeister begleitet, und manchmal

auch geleitet habe. Danach führte der Trauerzug mit den Fahnenträgern der Korporationen an der Spitze, die während des

Gottesdienst hinter dem Sarg gestanden hatten, zum Friedhof. Dort fand Hermann Rademann zu den Klängen

von „Amazing Grace“, gespielt von Helmut Horneffer auf dem Dudelsack, seine letzte Ruhestätte.