Geschichte des Peiner Freischießens

Aus der Inschrift des Schlußsteins der alten Burg Peine: "Noctua Peinensis Custos - Defenderat Olim Peinensia Castri Noenia - Fama Ut Habet. Ponimus Hunc Vigilem Rusus Peinensis Ad Arcis Ingerssum. Hic Noctis Tempore Bubo Sedet. Bubo Oculis Trucibus Minatur Et Unguibes Uncis."

U L U L U - T U V I G I L E S !
A R X I N V I C T A M A N E T !

"Der nächtliche Wächter von Peine hatte einst verteidigt die Mauern der Peinischen Burg, wie das Gerücht geht. Wir setzen diesen Wächter wiederum an den Eingang der Burg. Hier sitzt zu nächtlicher Zeit die Eule. Die Eule droht mit trotzigen Augen und gekrümmten Krallen."

EULE, SEI WACHSAM! DANN BLEIBT UNBESETZT DIE BURG! !

Freischießen :

heißt: von den frühesten Anfängen der geschichtlichen Entwicklung der Stadt an, sich in jedem Jahr "freischießen" von den bürgerlichen Pflichten; aber auch in späterer Zeit gibt es das Freischießen "von dem Servis", den städtischen Steuern, als bester Mann. Freischießen bedeutet für den Bürger der Stadt den ernsteren Inhalt des Festes.

Schützenfest :

Auch von altersher ist das Schützenfest das Fest für die Familien der am Schießen teilnehmenden Schützen, die übrigen Bewohner der Stadt und ihre Gäste. Diese nehmen nicht an dem schießsportlichen Wettbewerb, nämlich dem "Freischießen" innerhalb der heutigen Korporationen teil, sondern an den nachfolgenden Festlichkeiten. Schützenfest ist also für alle Bewohner der Stadt und für die Gäste dieses Festes der äußere fröhliche und heitere Rahmen.

Mit diesen Worten sollen nachstehende Ausführungen eingeleitet werden. Damit sind wir aber auch schon mitten im Geschehen.

Hat ein neues Jahr begonnen, so heißt es im Volksmund: "Wir gehen stark auf das Peiner Freischießen zu." Bald schon werden von den verantwortlichen Bürgerschaffern in Verbindung mit den Hauptleuten und Adjutanten der Korporationen die ersten Vorbesprechungen für das kommende Fest abgehalten. Es wurzelt tief in der Geschichte unserer Stadt, und vielen alten und überkommenen Sitten und Gebräuchen wird in diesen 5 Tagen gehuldigt.

Zum besseren Verständnis unseres schönen Heimatfestes soll zunächst etwas zur Geschichte der Stadt gesagt werden.

Durch drei große Brände wurden alle Urkunden bis zum Jahre 1590 vernichtet. Es fehlt daher bis zu dieser Zeit an Unterlagen für eine genaue Geschichtsschreibung. Durch Nachforschungen in den Archiven der Städte Braunschweig, Hannover und Hildesheim konnte jedoch manches ergänzt werden.

Um 1200 erbte Gunzelin von Wolfenbüttel Burg und Grafschaft Peine. Er baute diesen festen Platz - die Burg Peine - weiter aus. In ihren Mauern entstand nun eine weitere Ansiedlung, die heutige Stadt Peine, und Gunzelin verlieh ihr Stadt-, Markt- und Münzrechte.

Die wirtschaftlich aufsteigende Stadt Peine lag im Verkehrsknotenpunkt Nord-Süd und Ost-West. Ihr Besitz war sehr begehrt. Sowohl die Welfen von Braunschweig und die Bischöfe von Hildesheim als auch Gunzelin von Wolfenbüttel versuchten, Burg und Grafschaft Peine in ihren Besitz zu bringen.

Durch diese unklaren Besitzverhältnisse entstanden endlose Fehden zwischen den Welfen, den Bischöfen von Hildesheim und anderen Fürsten.

Durch diese kriegerischen Handlungen litt die aufblühende Stadt große Not. Sie wurde immer wieder von fremden Truppen besetzt. Die Burg selbst hielt den vielen Anstürmen stand, denn sie hatte ja ständig eine feste Besatzung, während der Stadt Peine keine Söldner zur Verteidigung zur Verfügung standen.

Aus dieser Notlage heraus traten etwa um 1300 erstmalig die Bürger der Stadt zusammen, um eine Schützenbruderschaft zu gründen. Ihre Aufgabe sollte es sein, bei Notständen auf freiwilliger Grundlage zusammenzukommen und auf Anweisung des Rates der Stadt Angriffe von außen abzuwehren. Daneben sollten sie gegen innere Unruhen und Feuersbrünste einschreiten.

Wir wenden uns jetzt der Durchführung des "Freischießens" zu. (Bestimmungen für das Peiner Freischießen)

Zunächst wurde mit der Armbrust und mit Pfeil und Bogen auf Ziele wie Scheiben und nachgebildete Tiere, besonders aber auf einen Vogel auf einer Stange geschossen.

Zum Anreiz wurden Preise der verschiedensten Art ausgesetzt. Im Laufe der Zeit wurde der beste Mann dann "König" genannt. Er erhielt als Zeichen seiner Würde eine Halskette und als Geschenk einen Zinnbecher, zuweilen auch Geld. Mit der Erfindung des Schießpulvers und der Einführung der Handfeuerwaffen ging man bei den Pflichtübungen der Bürger allmählich auf diese Waffenart über. Von nun an wurde vorwiegend auf Holzscheiben geschossen.

Die Durchführung des Freischießens hat im Laufe der Zeit manche Wandlungen erfahren. Aus der Verpflichtung des Bürgers und seiner freiwilligen Teilnahme an jährlichen Schießübungen entstanden über die Landknechts- und Söldnerheere die verschiedensten Wehrpflichtsysteme.

Das Stadtgebiet wurde nach Straßen und Häuserblocks in Bezirke eingeteilt und die Bürger in Gruppen, die später Korporalschaften genannt wurden, zusammengefaßt. Der Führer einer solchen Gruppe hatte für die Instandhaltung der Waffen und der Feuergeräte zu sorgen. Bei bestimmten Anlässen wurden die wehrhaften Bürger durch den Trommelboes oder durch Kanonenschüsse zu ihren Sammelplätzen gerufen.

Traditionsgemäß wird bis zum heutigen Tage das Peiner Freischießen am ersten Sonntag im Juli gefeiert. 14 Tage vor Beginn des Festes macht der Trommelboes montags und donnerstags seine Runden durch die Stadt. Am Sonnabend vor dem Fest, dem sogenannten "Heiligen Abend", marschieren die Musikkorps der einzelnen Korporationen (es gibt 7) ab 12.00 Uhr durch die Straßen der Stadt, um den Königen des Vorjahres und den Honoratioren der Stadt ihre Ständchen zu bringen. Der Bürgerkönig wird von den drei Bürgerkoporationen Schützen, Jäger (Bürger-Jäger) und Neue Bürger gemeinsam ausgeschossen. An diesem Schießen auf die Scheibe des Bürgerkönigs kann auch jeder Bürger der Stadt teilnehmen, ohne einer Korporation anzugehören. Allerdings kann er die Würde des Bürgerkönigs nur dann erringen, wenn er an den beiden Hauptauszügen am Sonntag und Montag teilgenommen hat. Alle anderen Korporationen haben jeweils ihren eigenen König.

Nun weiter zu dem sogenannten "Heiligen Abend", dem Sonnabend vor dem Freischießen. Bis 20.00 Uhr haben die Vormarschierer der einzelnen Korporationen den Bürgerschaffern vor dem alten Rathaus gemeldet, daß alle Ständchen gebracht sind. Alle Musikkorps spielen für die anwesenden Bürger der Stadt auf. Es folgt dann der Marsch der Korporationsmitglieder mit Musik zu ihren Zelten, um dort in fröhlicher Runde die neuen "Rekruten" aufzunehmen.

Hier wird dann durch den Hauptmann der Abend eröffnet. Nach den Ansprachen erfolgt die Vorstellung der "Rekruten" durch den "Feldwebel" und ihre Aufnahme durch den Hauptmann. Ein weiterer alter Brauch ist es, daß die "Rekruten" an diesem Abend für ausreichende Mengen Bier zu sorgen haben. Zu nicht allzu später Stunde begibt man sich nach Haus, um am nächsten Tag für den Ausmarsch gerüstet zu sein.

Am Sonntag, dem ersten Freischießentag, werden morgens die Fahnen aus dem neuen in das alte Rathaus gebracht.

Um 11.00 Uhr wird auf dem Marktplatz ein Platzkonzert abgehalten. Um 15.00 Uhr versammeln sich alle Korporationen mit ihren Königen auf dem Marktplatz vor dem alten Rathaus der Stadt. Dort wird dem Bürgermeister das Erscheinen aller Korporationen zur Eröffnung des Peiner Freischießens gemeldet.

Unter dem Donner der Böllerschüsse eröffnet der amtierende Bürgermeister das Freischießen und übergibt den Korporationen die alten, traditionsreichen Fahnen. Unter den Klängen des Präsentiermarsches sämtlicher Musikkoprs marschieren die Fahnenabordnungen aus dem Rathaus heraus und nehmen innerhalb ihrer Korporationen Aufstellung.

Die Korporationen marschieren zunächst einmal an ihren Majestäten und dem Rat der Stadt vorbei und nehmen diese beim zweiten Vorbeimarsch in ihre Mitte, um sich anschließend in festlichem Zug durch die Stadt zu den Zelten zu begeben.

Schon ab 14.00 Uhr haben sich viele Schaulustige und Angehörige der Korporationsmitglieder in den Straßen der Stadt und am Marktplatz versammelt. Die Stadt selbst ist festlich mit Fahnen und Girlanden geschmückt.

Die Teilnehmer des Festzuges werden von der Menge freudig begrüßt und mit Blumen bedacht.Nach der Ankunft in den einzelnen Zelten entläßt der zuständige Hauptmann seine "Schützen".

Die Angehörigen der Korporationen trinken Kaffe im Saal oder begeben sich auf den Festplatz. Ab 20.00 Uhr beginnt in allen Zelten der Tanz. In den Tagen vor dem Peiner Freischießen herrscht schon ein geschäftiges Treiben auf dem Schützenplatz und dem Hagenmarkt.

Auf dem Schützenplatz errichten die Schausteller ihre Stände und Fahrgeschäfte zur Belustigung der Bevölkerung. Süßwaren-, Eis- und Würstchenbuden sorgen für das leibliche Wohl der Festteilnehmer.

 

Seit 1966 wird dieser Festplatz bereits am Freitagabend mit einem großen Höhenfeuerwerk eröffnet.

Am Montag wird das Freischießen um 11.00 Uhr mit einem Umzug begonnen und führt u.a. an dem Sitz des Landrates vorbei wieder zurück auf den Marktplatz. Hier werden die alten Fahnen wieder in das Rathaus gebracht.

Montagnachmittag um 14.00 Uhr empfängt der Rat der Stadt Peine alle Könige mit ihren Schaffern im neuen Rathaus. Verbunden mit einem kleinen Umtrunk tragen sich hier die Könige in das Goldene Buch der Stadt Peine ein.

Anschließend werden die Könige und der Rat der Stadt von allen Korporationen abgeholt, um dann gemeinsam mit ihren Bürgern zum Marktplatz zu marschieren.

Um 15.00 Uhr werden die Fahnen wieder von den Korporationen im alten Rathaus in Empfang genommen und durch die Stadt zu den Zelten und Sälen gebracht.

Nach den Umzügen am Sonntag- und Montagnachmittag findet überall ein Kindertanz statt.

Um 18.00 Uhr herrscht auf dem Marktplatz vor dem alten Rathaus schon ein großes Gedränge. Jetzt werden nämlich die neue Könige proklamiert.

Jeder möchte an diesem großen Ereignis teilnehmen.

Vorher spricht jedoch der Bürgermeister den alten Königen den Dank der Bürger für das Wirken während ihrer Amtszeit aus. Anschließend erfolgt die feierliche Proklamation der neuen Könige.

Im Anschluß an die Proklamation bringen die vereinigten Spielmannszüge die neuen Könige in das Rathaus am Schützenplatz. Dort werden sie von den Schaffern mit ihren neuen Pflichten vertraut gemacht und der Presse vorgestellt.

Am Dienstag lädt der Bürgerkönig zum Frühstück ein, das im Saal derjenigen Korporation stattfindet, der er angehört (Schützen, Bürgerjäger oder Neue Bürger). Geladen sind der Rat der Stadt, die Leiter aller Behörden sowie persönliche Freunde und Bekannte des Königs und die Angehörigen seiner Korporation. In gleicher Weise verläuft das Königsfrühstück bei den übrigen Korporationen. In diesen Stunden werden viele humorvolle und witzige, aber auch ernsthafte Reden geschwungen und die Gratulationen der übrigen Korporationen entgegengenommen.
1976 hielt der Ehrenbürger Dr. Meyerringh eine grandiose Festrede auf das Peiner Freischießen, hier das Redemanuskript aus dem Jahre 1976.
Dr. Meyerringh beschwört den Zauber dieses Festes.

Nachmittags ab 14.00 Uhr finden die sogenannten "Bunten Umzüge" statt. Mit allerlei lustigen Einfällen und Schabernack hält jede Korporation die ganze Stadt in Bewegung.

Ausklang des Peiner Freischießens ist gegen 22.00 Uhr der Königseinzug. Der Marsch mit den Königen führt vom Schützenplatz durch die Schützenstraße und Breite Straße wieder zum Marktplatz. Die Straßen der Stadt sind durch zahlreiche Kerzen in den Fenstern festlich illuminiert und geben dem nächtlichen Umzug ein feierliches Gepräge.

Am Alten Rathaus erklärt der Bürgermeister das Peiner Freischießen für beendet, und die Fahnen werden wieder in die Obhut der Stadt übernommen.

Auf die Säle und Zelte zurückgekehrt, werden die Könige gebührend gefeiert, und bis in die frühen Morgenstunden des Mittwoch hinein bleibt man in froher Runde zusammen.

Die Unentwegten der Korporationen treffen sich am Mittwochabend zu einem Abtrunk in den verschiedensten Gaststätten der Stadt. Rückblickend erlebt man noch einmal die schönen Tage und trennt sich mit der Vorfreude auf das Peiner Freischießen im nächsten Jahr. Die Zelte und Buden auf dem Schützenplatz verschwinden, vorbei ist der festliche Spuk mit seinem Gedudele und Geschiebe und Gekreische in den Karussells und Achterbahnen, verschwunden der Duft von Bratwürsten und Hühnern am Spieß, gebrannten Mandeln und Vanilleeis. Ein großer Kehraus beginnt, und in den Straßen der Stadt kehrt wieder der Alltag ein.